Eine Darstellung aus dem SAI-Lab für den wissenschaftlichen Dialog mit den Fachgebieten „Straßenplanung und Straßenbetrieb“, „Integrierte Verkehrsplanung“, „Verkehrssystemplanung und Verkehrstelematik“, „Kraftfahrzeuge“ und „Fahrzeugantriebe“ zur Entwickelung der Mobilität auf der Straße.
Von Michael Hüllenkrämer
 
Wissenschaften und Mobilität

In den Wissenschaften zur „Mobilität“ gilt es die gesellschaftlichen Bedürfnissen in den dazu erkannten Themenfeldern nachhaltig zu erforschen und dazu eine Entwicklung aufzuzeigen. Hierbei geht es vor allem um Management, also um kluge politische Entscheidungen, um die bauliche Gestaltung des bestehenden öffentlichen Raumes und die Beteiligung aller Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Verkehren. Die ist gleichermaßen eine langfristige Aufgabe der Daseinsfürsorge über eine bedarfsgerechte Nutzung und günstige Bewirtschaftung. Die moderne Mobilitätsforschung integriert sich dazu in drei Themenfelder:

1: Mobilität:

  • Welcher Bedarf und Verlangen nach Fortbewegung, Beförderung und Transport besteht individuell und kollektiv?
  • Kann das Verhalten in der Fortbewegung und des Verkehrs nachhaltig beeinflusst werden, um belastende/störende sowie vermeidbare Verkehre zu mindern?

2. Infrastruktur:

  • Welche Verkehrsinfrastrukturen für die Mobilität bestehen und welche fehlen?
  • Welche vorhandenen Verkehrsinfrastrukturen erfüllen die Bedürfnisse zufriedenstellend und können verbessert werden?
  • Welche mangelhaften Verkehrsinfrastrukturen gilt es umzugestalten, um gute und sichere Verkehre zu ermöglichen?

3. Verkehr:

  • Welche Fahrzeuge und Kombinationsangebote für die Beförderung und den Transport bestehen (Pendeln, Logistik)?
  • Sind die Infrastrukturen für die Fahrzeuge geeignet und angemessen, damit die gewünschte räumliche und zeitliche Mobilität anwendungsgerecht und attraktiv ist?

Um eine nachhaltige Mobilität mit zu gestalten, denken, experimentieren und erproben angehende und erfahrene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der TU Berlin in allen drei Themenfeldern. Dazu wird auch direkt vor Ort, auf dem Campus der Universität, an den nötigen nachhaltigen Entwicklungen gearbeitet.

Infrastruktur

Die nicht nachhaltige Gestalt der physischen und informatorischen Infrastrukturen sind der Ausgangspunkt zur umweltfreundlichen Gestaltung nachhaltiger Mobilität. Hierbei reicht es nicht aus, nur den landesweiten Fahrzeugpark zu verändern oder bestimmte Fahrzeuge im Verkehrsraum umzuverlagern.

Auch für die Fuß- und Fahrzeuge-Verkehre, gleich welcher Antriebstechnik, kann Mobilität und Verkehr über geänderte Straßen und Wege beeinflusst werden.

Das SAI-Lab der TU Berlin hat dazu bereits ein einfaches Konzept für Radschnellweg-Korridore in Berlin vorgeschlagen: Siehe URL: https://www.chemie.tu-berlin.de/projekt_wheels_ways_weights/ sai_lab/publikationen/potential_fuer_die_ modernste_radbahn_des_landes/, siehe URL: https://www.sai-lab.de/index.php/de/publikationen/271-fahrradstrasse-der-zukunft-potential-fuer-die-modernste-radbahn-des-landes.

Der Beitrag aus diesem Labor zur Verkehrswende richtet sich aber nicht alleine auf den Individualverkehr, auf hochwertigen Fahrradstraßen oder sicheren Schnellwege.

Im Projektverbund „Lastenräder“ testen die Projekte die infrastrukturellen Bedingungen und beschreiben die Voraussetzungen für gut Akzeptanz bei den Nutzenden: Es geht um möglichst hoch-effiziente Fahrten, auch mit Fahrzeugen, die mit elektrischem Unterstützungsantrieb ausgestattet sind. Denn mit Pedelecs und E-Bikes erreichen Fahrradfahrende höhere Durchschnittsgeschwindigkeiten.
Zudem soll der Energiebedarf für die Mobilität der Angehörigen auf dem Campus künftig weitestgehend von erneuerbaren Energien, klima-positiven Antriebssystemen und passenden umweltfreundlichen Fahrzeugen gedeckt werden.

Der Think-Tank des SAI-Lab untersucht die „Mikrofizierung“ von innerbetrieblichen und privaten Transporten auf Fahrrad-Fahrzeuge und deren nutzer-gerechte Integration in die örtlichen Servicesysteme. Bei dieser Mikrofizierung spielen standardisierte, Fahrrad geeignete (Be-)Ladungen und Behälter eine wichtige Rolle.

Verkehr

Eine Aufgabe der Mobilitätswissenschaften ist es, das insgesamt komplexe Phänomen aus „Mobilität“, „Infrastruktur“ und „Verkehr“ im Blick zu haben. Mit dem jeweiligen Methodenbaukasten der mobilitätswissenschaftlichen Fachdisziplin gilt es Kompartimente zu analysieren um erklären zu können, was auch die Wissenschaft selbst praktisch zu Problemen beitragen kann.

Es gilt deutlich herauszustellen, wo und warum wissenschaftliche Arbeit mit dem jeweiligen Spektrum an methodischen Instrumenten über die Ausrichtung in der Forschung zu Erkenntnisse kommt, nach denen die Fortbewegung gestaltet werden soll.
Der gesellschaftliche relevante Gegenstand „Verkehr“ wird dabei inter- oder sogar transdisziplinär betrachtet und erforscht. Mit der Spezialisierung „in Technik“ integriert das wissenschaftliche Arbeiten an der TU Berlin auch die anthropologischen, soziologischen und philosophischen Interdependenzen von Mobilität.

Am SAI-Lab werden daher Ansätze aus den Disziplinen auf neue paradigmatische Art und Weise aufgegriffen. Hierzu wird die wissenschaftliche Subjektivität, vor allem die Motivation etwas für nachhaltige Entwicklung beizutragen, einbezogen.

Eine langfristige Wirkung über Forschung und Entwicklung anzustoßen und zu begleiten, wie in der Mobilität, wird daher als selbstreflexives und zielorientiertes Handeln verstanden.
So behandeln die Akteure in 4in1 vor allem zwei Maßnahmen-Dimensionen:

  • Erstens das „Machen“ als gesellschaftlicher Einflussfaktor. Dazu gehört die konkrete und praktische Umsetzung an der Universität, um möglichst bis in das individuelle Verhalten zur Mobilität hinein zu wirken.
  • Zweitens das „Reden“ über Mobilität und die damit verknüpften geistigen (mentalen), räumlichen, zeitlichen und materiellen Aspekte. Hierbei wird die Universität als mehrdimensionaler Katalysator für den Transfer von Wissen, Erfahrungen und Fähigkeiten zur Etablierung von Nachhaltigkeit genutzt, beispielsweise in der Nische:„Einfach kostenlos Lastenrad fahren.“

Mobilität

Ein Real-Labor erlaubt es, den Bedarf nach Beförderung und Transport mit neuen Handlungsoptionen zu bereichern und die Konsequenzen zu untersuchen.

So zeigt die Praxis im kostenlosen Verleih von Lastenrädern in Berlin, dass ein Teil des gesamten Berliner Individualverkehrs für mittlere Lasten von Privatpersonen durch eine Flotte von Lastenfahrrädern sozial und ökologisch nachhaltig umgestaltet werden kann. Auch das Projekt „Wheels, Ways & Weights“ ist daran als Partner der fLotte beteiligt.

Über ehrenamtliches, sowie bürgerschaftliches und gesellschaftliches Engagement in Nachbarschaften, Vereinen, öffentlichen Einrichtungen und teilnehmende Unternehmen wird so mit „Freien Lastenrädern“ der heutige Fahrzeugbestand umgestaltet. Das wirkt sich auch auf die Flächennutzung aus: Praktisch könnten geschätzte 10-20 Prozent aller Parkflächen im öffentlichen Raum für die „Stadt von Morgen“ genutzt werden, wenn auf den Privatbesitz eines Fahrzeugs für den motorisierten Individualverkehr (kurz: MIV) verzichtet wird. Stehen in einem ausreichend dichten Netz freie Lastenräder in Berlin bereit und können gleichzeitiger verbleibender Transport-Bedürfnisse mit anderen Diensten und deren Fuhrpark erfüllt werden, kann die Anzahl von privaten Pkw-Fahrzeugen schrumpfen.

Mit einer so gezielt induzierten Verringerung mindert sich der Bedarf an Flächen für den ruhenden Verkehr. Auch die Kosten eines solchen „Commons- oder Sharing-Systems“ wären geringer als heute. Über die Projekte zur Nachhaltigkeit mit Lastenrädern wird nicht nur die vollständige Dekarbonisierung des gesamten urbanen Verkehrssystems, am Beispiel „mittlere Lasten“ und „lokal-regionaler Beförderungsalternativen“, untersucht, sondern direkt und unmittelbar ein Akzent für die gewünschte Verkehrswende mit dem Ausleihangebot solcher Lastenräder an der Universität gesetzt.

Eine gemischte Flotte aus elektrisch betriebener Lastenrädern und jener „klassisch mit Muskelkraft angetriebenen“, innerhalb und außerhalb des S-Bahn-Ringes, günstig verteilt auf alle Berliner Ortsteile, hätte reduzierte Luftschadstoff-Emissionen zur Folge. Hinzu käme ein gewisser Fahrspaß und eine sportlich aktive Bewegung der Menschen, die mitmachen.

Moderne integrierte Verkehrsplanung

Moderne integrierte Verkehrsplanung umfasst drei Themenfelder:

  1. Erstens das Infrastrukturmanagement, also den Bau und Unterhalt von Verkehrsinfrastruktur.
  2. Zweitens das Verkehrsmanagement, das darauf zielt, den Verkehrsfluss zu gestalten.
  3. Drittens das Mobilitätsmanagement, welches das individuelle Mobilitätsverhalten beeinflusst, noch bevor Verkehr entsteht.

An allen drei Themenfeldern forschen Wissenschaftler*innen der TU Berlin, um eine nachhaltige Verkehrsentwicklung zu gestalten.

Infrastrukturmanangement
Einen wichtigen Beitrag zur umweltfreundlichen Mobilität könnte die Verlagerung des motorisierten Individualverkehrs hin zu Verkehrsmitteln des Umweltverbundes leisten. Das Fachgebiet Straßenplanung und Straßenbetrieb der TU Berlin hat dazu ein Konzept für Radschnellweg-Korridore in Berlin untersucht. Für das Gelingen der Verkehrswende rückt auch der öffentliche Personenverkehr in den Fokus.
Im Verbundprojekt "autonomer öffentlicher Nahverkehr im ländlichen Raum“ testet das Fachgebiet die infrastrukturellen Voraussetzungen, die Nutzerakzeptanz sowie die Finanzierungsroutinen eines hochautomatisiert fahrenden und elektrisch betriebenen Shuttles. Zudem soll der Energiebedarf im Verkehrsbereich künftig weitestgehend von erneuerbaren Energien und klimaneutralen Antriebssystemen gedeckt werden.
Der Forschungscampus „Mobilty2Grid“ untersucht die Elektrifizierung von gewerblichen und privaten Straßenfahrzeugen sowie deren nutzergerechte Integration in lokale und intelligente Energienetze.

Verkehrsmanagement
Verkehrsmanagement bedeutet heute zunehmend, Mobilität zu gestalten. Ziel ist nicht mehr allein der Bau von Infrastrukturen oder das Steuern von Verkehrsflüssen, sondern die dezidierte Beeinflussung von menschlichem Verhalten. Am Fachgebiet Integrierte Verkehrsplanung werden dazu Methoden untersucht, die auf subjektiver Ebene wirken und das langfristige Mobilitätsverhalten zielorientiert verändern. Die Wissenschaftler*innen analysieren dazu vor allem zwei Maßnahmendimensionen:
Erstens gesellschaftliche Einflussfaktoren. Dazu gehören Kommunikation und Bildung, aber auch Gesetzgebung, alle drei Faktoren können das individuelle Mobilitätsverhalten zielorientiert beeinflussen. Beispiele hierfür sind Marketing-Kampagnen, Mobilitätsschulungsprogramme oder das Berliner Mobilitätsgesetz. Zweitens kann die Mobilität über räumliche und materielle Faktoren beeinflusst werden. Hierbei können Informations- und Organisationsmaßnahmen genutzt werden, aber auch Subventionen und Besteuerungen. Klassische Beispiele sind Fußerreichbarkeitskarten, City-Maut-Modelle oder kostenfreie Studierendentickets.

Mobilitätsmanagement
Computersimulationen erlauben es, die Konsequenzen von Handlungsoptionen zu untersuchen. So zeigt eine Studie des Fachgebiets Verkehrssystemplanung und Verkehrstelematik, dass der gesamte heutige motorisierte Berliner Personenindividualverkehr durch eine Flotte von elektrischen fahrerlosen Fahrzeugen abgewickelt werden könnte. Dafür wären nur zehn Prozent des heutigen Fahrzeugbestandes nötig; Praktisch alle Parkflächen im öffentlichen Raum könnten anderen Nutzungen zugeführt werden. Die Kosten eines solchen Systems wären nicht höher als heute.
Ein weiteres Projekt untersucht die vollständige Dekarbonisierung des gesamten urbanen Verkehrssystems, wobei in den Simulationen auch Elektro-Lkw und -Busse zum Einsatz kommen. Eine Flotte elektrisch betriebener „Ridesharing-Fahrzeuge“ innerhalb des S-Bahn-Ringes zusätzlich zum vorhandenen System hätte deutlich reduzierte Stickstoff-Emissionen innerhalb des Gebietes zur Folge.

Texte, auf die Bezug genommen wird:

  • Katharina Jung, Patricia Pätzold-Algner (Redaktion) (12.2018): Wie entwickelt sich die Mobilität auf der Straße? Texte zusammengestellt von Professor*innen des ILS: Markus Hecht, Steffen Müller, Stefanie Marker, Kai Nagel, Oliver Schwedes, Thomas Richter, Gerd Holbach, Andrés Cura Hochbaum, www.ils.tu-berlin.de. TU intern, Nr. 12/Dezember 2018, S. 12, Wie entwickelt sich die Mobilität auf der Straße?