Eine Glosse über die unzureichende Pflege von Radwegen in Berlin aus dem SAI-Lab.

17.07.2019, von Michael Hüllenkrämer

Berlins Radwege wachsen zu

Es ist Sommer 2019 und im Land Berlin nimmt die Anzahl grüner Radwege von Tag zu Tag zu. Es hat den Anschein, als ob es sich um eine gemeinsame Kampagne der bezirklichen Grünflächenämter und Straßenverwaltungen in Zusammenarbeit mit der Senatsverwaltungen für Umwelt und Verkehr handelt: Aus der verkehrspolitischen Absicht mehr „grüne angemalte Radwege bereitzustellen“ wird nun flächendeckend ernst durch entsprechend grünen Aufwuchs. Von Seiten der Straßenbewirtschaftung, durch einfaches „Unterlassen“ der Instandhaltung und Pflege von Radwege, wird das optische Erscheinungsbild der Berliner Radwege von Tag zu „grüner“. Oder anders ausgedrückt: Berlins Radwege wachsen zu! Anscheinend ist das auch eine Methode für mehr grüne Radwege.

Als markante Farbe der Radwege steht grün nun vielleicht doch sinnbildlich für umweltfreundliche Mobilität und für eine neue „nachwachsende Radverkehrspolitik“.

Die Farbe Grün soll für andere Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer ein eindeutiger optischer Hinweise sein: „Hier Radverkehr“. Um dieses Ziel auch ohne einen kostspieligen Farbauftrag auf den Asphalt zu bewerkstelligen, mutet das, was nun geschehen gelassen wird, wie die konzertierte Arbeit eines neuartigen Aktionsbündnisse an: Wachsen lassen, was am Wegesrand an Grün gedeiht. Besonders effektiv sind hierbei ruderale, bodendeckende Pflanzenarten. Aber auch Stauden und Sträucher, sowie Wurzel- und Stammaustrieb, führen derzeit zu deutlicher mehr Grün an und auf den Radwegen Berlins. Viel mehr als wünschenswert. Und erheblich mehr als es die Verkehrssicherheit erlauben sollte.

Wären Radwege keine Straßen, könnte der Pflegegrad von Straßen und Radwegen nicht direkt und unmittelbar miteinander verglichen werden. Wäre die derzeitige Situation dann nicht so tragisch?

Die Maßnahmen zum Erhalt des Fahrraums in der Breite und des Lichtraumprofil der Straßen im Land Berlin scheinen recht gut durch die Pflege des Begleitgrüns erreicht zu werden. Dagegen ist die Sicherstellung der Befahrbarkeit von Radwegen auf voller Breite aktuell in großer Gefahr.

Wurde etwa mit Kalkül die Radwegfarbe für Berlin mit der Auswahl auf grün festlegt? Wurde aus dem Umstand des „Wachstums von Pflanzen“ an den Verkehrswegen des Landes eine Tugend gemacht, mit der die gesteckten Ziele der grünen Kennzeichnung von Radwegen schneller gelingen mag?

Einzelne Aktionen der Wiederherstellung der Verkehrssicherheit an Radwegen gibt es dennoch: So wie beispielsweise bei dornenbewehrt Ästen, die in den Radweg hineinragen, und die ungeschützte Haut zerkratzen würden oder üble Verletzungen im Gesicht verursachen könnten. Auch jenen Büscheln von Zweigen, die beim vorbei radeln wie eine Spießrutenlaufen durch eine Peitschen-Zone anmuten können, werden Stellenweise entfernt. Hier zeigt sich die wirkungsvolle Möglichkeit der Bürgerbeteiligung. Eine Meldung beim Ordnung führt mitunter zur lokalen Reduzierung der gröbsten Wucherungen hinein in die Fahrbahn der Radwege. Ein durchgängiges, vielleicht sogar planvolles Vorgehen, ist über die Einzelaktionen hinaus derzeit noch nicht so richtig zu erkennen, was aber eher am unbekannten Datum der landesweiten „Tags des freigelegten Radwegs“ liegt.

Ob die Berliner Radwege nun wegen zuviel Grün gemieden werden und dafür mehr auf der grauen Straße gefahren wird, bleibt abzuwarten. Ebenso ist Geduld bei den Radfahrenden nötig: Bis über die Sache mit der „Radweginfrastruktur“ vollständig Gras gewachsen ist?

Weitere Informationen, Texte auf die Bezug genommen wird:

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