Mit der Information unter dem Titel „Grünbeschichtungen für bessere Sichtbarkeit der Radwege in Berlin“ (1) berichtet die InfraVelo am 13.07.2019 über einen Ansatz, mit dem Berlins Radwege sicherer werden sollen.

 

Noch ist die Senatsverwaltung für Verkehr mit deren Gesellschaft InfraVelo der Überzeugung das farbliche Beschichtungen bestehender Radwege dazu beitragen Radwege sicherer zu machen. Dabei kommt es weniger auf die Farbe an, sondern auf die Bauart: Werden Radstreifen baulich und nicht nur farblich vom motorisierten Verkehr getrennt, erhöht das nicht nur die Wiedererkennung, sondern trägt dauerhaft für die Sicherheit im Straßenverkehr bei. Bei der Sicherheit im Verkehr geht es weniger um die Wiedererkennung welche Infrastruktur für welchen Verkehr vorgesehen ist, sondern um Verkehre, die in den jeweiligen Infrastrukturen erkennbar sicher sind. Diese Sicherheit wird am besten und zugleich dauerhaft durch bauliche Trennung erreicht.

 

Warum bauliche Trennung anstatt farblicher Markierung?

 

Damit Radfahren deutlich attraktiver wird, sind gut ausgebaute, durchgängige und nach weiteren Qualitätskriterien standardisierte Radwege erforderlich. Wenn diese Radwege dann auch baulich von Fußgängern und Autofahrenden getrennt verlaufen, sind Radfahrerinnen und Radfahrer dort auch sicher. Das individuelle Gefühl der Sicherheit kann durch objektive Sicherheit baulich getrennter und durch schmale Pufferzonen separierte Fahrbahnen erreicht werden. Mit einer baulichen Trennung wird zugleich die optische Trennung erzielt. Wenn eine bauliche Trennung vorhanden ist, trägt dies grundsätzlich dazu bei, dass Autofahrerinnen und Autofahrerinnen, sowie Lieferantinnen und Lieferanten, die für Sie vorgesehene Fahrbahn deutlich besser erkennen können, sondern auch keinen Anspruch auf den Radfahrweg gelten machen. Trefflich realisierte baulich getrennte Radwege führen nicht zum Konflikt in der Nutzung, da dortiges aufeinandertreffen von Auto und Fahrrad technisch vermieden wird. Im Gegensatz zu den mit entsprechend Linien markierten Schutzstreifen und Radstreifen, die gegebenenfalls farblich in der Verkehrsfläche hervorgehoben sind, werden baulich getrennte Radwege nicht als Park- oder Halteflächen von Verkehrsteilnehmern des motorisierten Individualverkehrs (MIV) angesehen.

 

Signalwirkung oder Abschreckung

 

Es gibt die Idee nach der durch farbliche Markierung der Verkehrsfläche diese für bestimmte Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer zu gestalten. Die farblichen Gestaltung soll als Signal für diese Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer wirken. Das von der Farbfläche ausgehende Signal soll wahrgenommen und akzeptieren werden. Damit soll die Nutzung für eine bestimmte Gruppe der Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer festlegt und reserviert werden. Die farbliche Kennzeichnung kann jedoch nicht so viel Wirkung entfalten, wie eine tatsächlich Abschreckung durch bauliche Trenn-Elemente. Die Farbe selbst stellt kein Hindernis dar und sich nicht als Barriere entfalten. Farbe kann aktiv überfahren und leicht überrollt werden. Weniger Signalwirkung, dafür praktische Abschreckung geht von baulich getrennten Radwegen aus:

 

Ein Bordstein, eine Erhebung, ein zwischen den Fahrbahnen liegender Puffer- oder Grünstreifen stellt eine optische, wie technisch überdeutliche Barriere dar. Die Schutzwirkung für Radfahrende ist auch gegenüber einer zweidimensionalen farblichen Markierung stärker.

 

Farbe als flächendeckender Standard

 

Wenn alle Oberflächen der Radwege in einer Region einheitlich farblich ausgeführt werden, damit sich diese Oberflächen von der Farbe der üblichen Fahrbahndecke des Straßenbelag für den Autoverkehr abheben, kann sich auch die beabsichtigte und gewünschte Signalwirkung verändern. Eine überall einheitlich verwendete Farbe verringert die lokale und örtliche Signalwirkung durch die Omnipräsenz, und damit der „Dauer“, des Signals. Die Verwendung von flächiger Farbe auf allen Radwegen in entsprechenden Verkehrsinfrastrukturen ist dann mehr eine normierte Widmung, als ein festgelegtes Signal. Gegenüber den Tatbeständen der Missachtung der Regeln für die Ausschließlichkeit der Nutzung bestimmter Flächen für den Radverkehr, trotz Radweg-Beschilderungen und Radweg-Markierungen, kann Farbe eine lokal-situative Warnwirkung entfalten. Die Beschilderung von Gefahrenbereichen kann mit einer farblichen Kennzeichnung ergänzt werden. Doch zeigen Beinaheunfälle und Unfälle an Radwegen mit Beschilderung, klassischer weißer Markierung und farblicher Warnzonen, das diese nachträglichen gestalterischen Elemente nicht ausreichend. Die Bemühungen für ausreichenden oder erforderlichen Schutz für Radfahrende bedarf mehr Exklusivität und Attraktivität von Radwegen. Dies kann durch bauliche Trennung erzielt werden. Nicht die flächendeckende Farbgestaltung, sondern der flächendeckende bauliche Trennung ist eine zeitgemäße Lösung für die Förderung des Radverkehrs in sicher gebauten, gegenüber Sicherheit signalisierenden, aber nur gemalten Infrastrukturen.

 

Gute Fahrbahn mit qualitätsvoller Fahrbahndecke

 

Ein Farbauftrag in der Fläche auf Radwegen schafft tatsächlich ein Mindestmaß an Verbesserung, wenn es um die Beschaffenheit mangelhaft oder schadhafter Radweg geht. Eine Farbbeschichtung, auch eine Grünbeschichtung, stellt aber keine Alternative für die Sanierung oder straßenbauliche Instandhaltung von schlechten Fahrbahn von Radwegen dar. Ein schadhafter Radwegbelag, dessen Fahrbahndecke richtiggehend erneuert wird, ist auch ohne flächige Einfärbung nach der Instandsetzung ein besserer Radweg. Wenn vorhandene Mängel an der Oberfläche bestehender Radwege verändert werden, sollte die bauliche Ertüchtigung immer Vorrang vor einem möglichen Farbauftrag haben. Grundsätzlich sollten Radwege mit dem bekannten weißen Fahrradsymbol gekennzeichnet werden, damit die vom Fußgänger Individualverkehr (FIV) und motorisierten Individualverkehr (MIV) baulich und optisch absetzten Radwege von anderen Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmern beachtet werden.

 

Aufeinander acht geben ist besser als auf Farbe reagieren

 

Beim vorausschauenden und rücksichtsvollen Fahren unter Beachtung der Regeln im Straßenverkehr kann keine Farbe der Welt wirklich einen helfenden, aktiven Beitrag leisten. Um bestimmte Fahrzeuge aus einer bestimmten Infrastruktur des Verkehrs herauszuhalten oder hinein einzuladen ist die entsprechende Beschilderung der Standard. Von einer bemalten Verkehrsfläche lassen sich die Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer nur schwerlich vor deren Benutzung abhalten oder fernhalten.

 

Auch wenn das Verkehrsgrün (RAL 6024) an Kreuzungen und Einmündungen und sonstigen Konfliktbereichen eingesetzt wird, oder auf sehr stark frequentierten Grundstückszufahrten das Verkehrsrot (RAL 3020) verwendet wird, ist in diesen Situation des Verkehrs aktiv gegenseitige Rücksichtnahme und vorausschauenden Fahren die zugleich juristische, normative und soziale Voraussetzung für Sicherheit. Über all dort, wo die sich daraus ergebende Sicherheit durch nicht über ausreichende Fehlertoleranz bei der Benutzung von Straßen und Wegen wegen der Bauart vorhanden ist, kann mit Farbe auf die vorhandenen Gefahren hingewiesen werden.

 

Auch ein kontrastreiches Verkehrsgrün oder das Verkehrsrot können nicht die Wirkung eines grünen grasbewachsenen Pufferstreifens, einer niedrigen grünen Hecke oder eines aus recycelten Grünglases hergestellten Randsteins erreichen. Eine bauliche, linienförmige Barriere, sei es eine Stufe, Kante oder Mikro-Böschung, erhöht dagegen die Aufmerksamkeit für die sogenannte „Fahrbahntreue“ anderer Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer immens. Die bauliche Trennungen ohne Farbe stellt daher ein technisches Prinzip dar, mit dem Fehlertoleranz erhöht und damit Sicherheit für Radfahrende vor individueller Rücksichtslosigkeit oder fehlender Vorausschau von anderen Verkehrseilnehmenden erhöht werden kann.

 

Kaltplastik & Epoxidharz oder Stufenstein & Pufferplatz

 

Die Materialien für die rein farb-flächige Gestaltung von Radwegen, dies sind Kaltplastik und Epoxidharz, unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Materialeigenschaften, Beschaffungskosten und Belastbarkeit. Die Materialien der Bordsteine für die Abtrennung von Bürgersteigen für Fußgänger von einer Straße unterscheiden sich nicht von den Materialien der Radwegsteine für bauliche getrennte Radwege für Radfahrende. Die straßen-technische Ausführung der Verkehrsflächentrennung mittels Bordstein kann für Straße-zu-Radweg oder Radweg-zu-Fußweg grundsätzliche gleich oder gleichartig ausgeführt werden. Dagegen sind zusätzliche Beschichtungen auf den Asphaltflächen der Radwege, beispielsweise mit Epoxidharz „sehr aufwendig und zeitintensiv“ (InfraVelo, s.o.).

 

Für die Wahl der verkehrstechnische Bauart von Sicherheit sollte das Beschichtungsmaterial für die jeweiligen Radwege sein entscheidend sein. Der Ertüchtigung von Radwegen durch bauliche Trennung für mehr Sicherheit vor dem MIV und FIV sollte der Vorrang eingeräumt werden. Ein Farbauftrag kann durch die ingenieurtechnische Gestaltungsprinzip der Trennung von Fuß- und Autoverkehr leicht vermieden werden.

 

Testphase der grünen Radwege vorgesehen

 

Wie werden die bunten, flächendeckend grün, beziehungsweise in den Knotenpunktbereichen rot, markierten Schutz- und Radfahrstreifen im Land Berlin getestet? Das verwendete Material soll über ein Zeitdauer von fünf Jahren wissenschaftlich untersucht werden: „Evaluiert werden unter anderem Verhaltensänderungen der Verkehrsteilnehmenden, die Ergebnisse der Befragungen von Radfahrer*innen sowie Messungen zur Griffigkeit oder Beständigkeit des verwendeten Materials.“ Kann darüber sichergestellt werden, dass die Maßnahme an sich sowie das eingesetzte Material ihren Zweck erfüllen? Für den „dauerhaften Einsatz“ eignet sich Farbe bestimmt. Aber ob Farbe alleine auf Dauer mehr Sicherheit schafft, ist offen.

 

Ab 2018 wird es grüner ...

 

Laut Information von InfraVelo wurden im Jahr 2018 die Arbeiten an fünf Radfahrstreifen abgeschlossen wurden. Damit wurden insgesamt rund acht Kilometer durch InfraVelo farblich markiert. Im Jahr 2019 sollen weitere 11 Radfahrstreifen in einer voraussichtlichen Länge von circa 15 km Länge folgen.

 

Das ergibt, laut einer einfachen Prognose aus dem SAI-Lab folgendes Bild: Wird die Länge der Radfahrwege in Berlin, in der Summe von 1249,2 km (2), zusammengesetzt aus baulichen Radwegen mit 963,4 km und Radfahrstreifen in einer Länge von 285,8 km, herangezogen und die Reihe der jährliche Steigerung der farblichen Markierung von beginnend bei 8, fortgeführt mit 15, weiter fortgesetzt, dann sind im Jahr 2035 vielleicht tatsächlich alle Berliner Radwege grün.

 

Texte, auf die Bezug genommen wird:

  • (1) URL: https://www.infravelo.de/projekte/gruenbeschichtungen/?utm_source=newsletter&utm_medium=teaser
  • (2) URL: https://www.berlin.de/senuvk/verkehr/politik_planung/zahlen_fakten/download/Mobilitaet_dt_komplett.pdf